Ich nehme Abschied von Astrid und Allan, meinen Mitpilgern, mit denen ich mir das Petri-Zimmer in Bautzen geteilt habe. Jede Begegnung, die unsere Seele berührt, hinterlässt eine Spur, die nie ganz verweht, eine Sentenz von Lore-Lillian Boden, nehme ich als Leitmotiv für diesen Wandertag. Die beiden stehen gerade auf, als ich aufbreche. Unten auf dem Hof kommt ein Offizieller mit dem Fahrrad zur Arbeit. Er spricht mich auf die beiden an, und regt sich darüber auf, dass sie zwei Tage in der Herberge übernachtet haben. "Das geht nicht," ereifert er sich, "ich bekomme Schwierigkeiten mit den gewerblichen Anbietern. Unsere Pilgerherberge ist kostenlos und jeder hier weiß, dass sie nur für eine Nacht genutzt werden darf." Ich murmele etwas von Bautzen sei doch viel zu schön für einen Tag, und ziehe meines Wegs. Ich habe selbst mit dem Gedanken gespielt, einen Tag länger zu bleiben.
Donnerstag, 10. Juni 2021
Donnerstag, 3. Juni 2021
Unterwegs nach Bautzen
Ich breche zeitig auf. Es ist noch nicht neun Uhr, als ich mich von den freundlichen Menschen auf dem Bauernhof verabschiede. Die Bäuerin erklärt mir eine Abkürzung zurück auf die Via Regia, nicht ohne mir ans Herz zu legen, in der Tortenzauberei im Ort vorbeizuschauen, um mir die Pilgerkekse zu kaufen. Die besondere Bäckerei im Blauen Hof finde ich auf einem Bauernhof am Ortsrand von Nechern. Die gelernte Konditorin Frau Tschipke fertigt in Ihrem Meisterbetrieb individuell nach Kundenwunsch Kuchen und Torten wie aus Großmutters Zeiten an. Sie hat auch an Stärkendes für die Pilger gedacht. Ich zögere zuerst einzutreten, da ich glaube, mich geirrt zu haben, sehe dann aber eine Tür, die nach einem Laden aussieht. Sofort stehe ich mitten in der Backstube, wo zwei Frauen in weißen Schürzen arbeiten. Ich will schon wieder heraus, als mich eine der Frauen zurückruft, und mich freundlich hereinbittet. Ich bin schon richtig, meint sie, Laden und Backstube sind ein Raum. Dann sehe ich erst die Verkaufstheke, die hinter den Gerätschaften der Backstube fast verschwindet; beladen mit Cellophantüten, in denen verschiedene Kekssorten locken. Eine der Frauen präsentiert mir stolz ihr Sortiment von Pilgerkeksen. Die Auswahl fällt mir schwer, aber schließlich ziehe ich mit einer Tüte mit Ingwerkeksen meines Wegs.
Ein schöner Feldweg, den auf einer Seite eine große Hecke begrenzt, führt aus Nechern ins Freie. Am sogenannten Schwedenstein treffe ich auf die Via Regia. Dieser Findling, nur im Volksmund so genannt, erinnert an eine Episode des Nordischen Krieges, der zwischen 1700 und 1721 hier stattgefunden hat. Als ein Monument der Erinnerungskultur hat ihn der Wurschener Grundbesitzer, Freiherr von Thielau 1810 aufgestellt.